Stadtwerke-Schwimmer treffen Fußballer Christoph Kramer, dann gewinnt die C-Jugend den deutschen Meistertitel

Schon vor der Siegerehrung im brechend vollen Essener Hauptbad gab es kein Halten mehr. Statt der bei (erwachsenen Fußballern) obligatorischen Bierdusche sorgten die Schwimmer für eine noch feuchtere Gaudi: Der Reihe nach beförderten die vier Münchner Teams ihre Trainer Lena Gerber, Dino Bortot, Sheela Schult und Michael Prechtl in kompletter Montur ins Schwimmbecken. Und sobald die Kleidung gewechselt war, wiederholte sich das Spiel. „Wasser klebt wenigstens nicht so“, nahmen die Trainer den jugendlichen Übermut mit Humor. Außer über den Titelgewinn bei den C-Jugend Buben, freute sich die SG Stadtwerke beim Bundesfinale der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft (DMSJ) über die Ränge fünf bei der D-Jugend männlich, sechs bei der C-Jugend weiblich und acht bei der D-Jugend weiblich.

Mit Strohhüten, Hawaii-Hemden und Sonnenbrillen marschierten Derik Rodrigues, Ben Schmelzer, Christopher Böger, Pascal Borchardt und Aleksandar Savic zur Siegerehrung, bei der sich traditionell alle Teams kostümieren. Denn obwohl das C-Jugend-Team aufgrund seiner Qualifikationszeit als klarer Favorit galt, blieb  es bis zum Schluss eine Zitterpartie. Denn wegen einem Wendefehler über 4x100 Meter Brust hatte die SG Stadtwerke sich eine Disqualifikation eingehandelt und mussten diese Staffel nachschwimmen. Das Reglement erlaubt dies aber nur einmal – jeder weitere Fehler hätte das Ende aller Titelträume bedeutet.
„Die Angst ist danach mitgeschwommen“, registrierte Dino Bortot eine deutliche Nervosität bei seinen Schwimmern. Die hatten zunächst über 4x100 Meter Freistil (3:52,16 Minuten) deutlich dominiert, nach der Brust Staffel aber über 4x100 Meter Rücken übervorsichtig agiert – mit 4:33,94 blieben sie knapp hinter den Berlinern. Am zweiten Wettkampftag waren die Münchner aber wieder die Schnellsten im Wasserüber jeweils 4x100 Meter Schmetterling (4:19,28) und Lagen (4:20,07). Mit der Gesamtzeit von 22:02,45 Minuten steigerten sie sich gegenüber dem Landesfinale Bayreuth um 6,41 Sekunden und distanzierten die Wasserfreunde Spandau 04 (22:32,82) und die SG Münster (22:54,60) auf den nachfolgenden Medaillenrängen klar.
„ Dass die Mannschaft in dieser Deutlichkeit, mit einer halben Minute Vorsprung, Deutscher Meister geworden ist, hatte ich nicht erwartet“, gab es selbst für Dino Bortot noch ein Aha-Erlebnis. Der 31 Jahre alte Trainer fand, es habe bei dem Team „sehr viel gut zusammengepasst“. Unter anderem, dass alle fünf Schwimmer im Doppeljahrgang (2001/02) zu den Älteren gehören, aber auch, dass sie als Einzelschwimmer  in den deutschen Ranglisten in allen Disziplinen unter den Top 20 stehen. „Diese extreme Ausgeglichenheit hat gegenüber den anderen Vereinen den entscheidenden Unterschied ausgemacht“, resümiert Bortot.
Den sechsten Platz der C-Jugend-Mädels (Julia Titze, Lisa Marie Börnigen, Sarah Vidic, Stella Koltermann, Gina Sophie Hildebrandt und Luisa Liesenfeld) in einer Gesamtzeit von 24:01,11 Minuten bezeichnete Bortot als „relativ solide durchgeschwommen“. Bei beiden D-Jugend-Teams verhinderte vor allem das recht schwache Abschneiden über 4x100 Meter Brust eine bessere Gesamtplatzierung. Der Bubenmannschaft (Samuel Thamm, Jan Henrik Metze, Florian Kühn, Robbie Groh und Silvian Balbach) mit einer Gesamtzeit von 23:25,07 Minuten bescheinigten der Trainer eine „für dieses Alter ungewöhnlich professionelle Einstellung in puncto Wettkampfverhalten und Konzentration“, auch technisch habe der Jahrgang 2003/04 schon „sehr viel drauf“.
Etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren die Mädchen (Lisa Ava Schlüter, Sabeth Westermann, Konstanze Becker, Johann Bander und Amelie Tamina Richwien), die sich gegenüber ihrer bundesweit sechstbesten Qualifikationszeit diesmal mit 23:42,00 Minuten um achteinhalb Sekunden verschlechterten hatten und sich mit Rang acht begnügen mussten.
Das Gesamtfazit des DMSJ-Bundesfinales im Ruhrgebiet fiel aus Münchner Sicht nicht nur wegen des Meistertitels überaus positiv aus. „Wir haben uns sehr stark präsentiert, der Nachwuchs der SG Stadtwerke München ist auf Bundesebene sichtbar. Das zeigt, dass die Neustrukturierungen greifen und wir auf dem richtigen Weg sind“, bilanzierte Bortot. Unter anderem hatte die SG Stadtwerke eine zusätzliche Trainingsgruppe eingeführt, um noch intensiver und individueller arbeiten zu können.
Vor allem aber dient eine spektakuläre Veranstaltung wie das DMSJ- Bundesfinale der Motivationsförderung. Die hatte übrigens schon bei der Anreise am Freitagnachmittag einen zusätzlichen Schub erhalten: Ein Teil der Münchner Nachwuchsschwimmer fuhren mit dem ICE nach Essen, und in Nürnberg stieg plötzlich Fußball-Weltmeister Christoph Kramer in den Zug. Der Star von Borussia Mönchengladbach hatte wegen Rückenprobleme das Länderspiel gegen Gibraltar (4:0) sausen lassen müssen – die Kinder der SG Stadtwerke boten Christoph Kramer spontan einen Platz an. Mit einem Weltmeister von Rio zum Bundesfinale nach Essen, auf manchen Smartphone per Foto dokumentiert: Das i-Tüpfelchen auf zwei spannenden Tagen.

(Martin Becker, 2014,18.November, In: Münchner Merkur Nr.265, S.45)